Das Lied am Sonntag – Money

Ich diskutiere oft mit meinen Teilnehmern, dass sie anfangs mit etwas weniger Gehalt einsteigen sollen und wenn sie zuverlässig sind gut arbeiten irgendwann mit dem Arbeitgeber über eine Gehaltserhöhung reden können. Ich weiß nicht, wie überzeugend ich das rüberbringe, aber ich weiß, dass ich noch keinen Arbeitgeber nach mehr Gehalt gefragt habe. Gut, ich habe auch noch nie wirklich lange irgendwo gearbeitet, aber in den nun fast fünf Jahren in denen ich den aktuellen Job mittlerweile mache, habe ich nie gefragt. Liegt es daran, dass ich nicht weiß, wie ich in ein solches Gespräch einsteige? Oder liegt es daran, dass ich nichts verkaufen kann, wenn ich nicht an das Produkt glaube? In diesem Fall bin ich das Produkt und ich kann mich nicht verkaufen, weil ich zumeist nichts von mir halte. Sobald die Frage käme, wieso ich denn mehr Geld möchte, wäre ich schon durch mit dem Thema, denn ich habe keine Argumente, die für mich sprechen. Würde der Arbeitgeber nein sagen, würde ich vermutlich sagen, dass ich es verstehe und mir auch nicht mehr gezahlt hätte. Würde ich aus unerklärlichen Gründen mehr Gehalt bekommen, dann fühlte ich mich unter Druck gesetzt, weil ich für das mehr an Gehalt auch mehr leisten müsste. Und ich würde in meinem kranken Kopf denken, dass ich folglich fortan mehr beobachte würde, um zu prüfen, ob ich mehr Geld überhaupt verdient hätte. Daher kann ich diese Frage einfach nicht stellen. Ich bin also der denkbar schlechteste Coach, um meinen Teilnehmern zu vermitteln, dass sie keine Angst haben müssen und ruhig nach mehr Gehalt fragen können. Und dennoch sage ich es ihnen immer wieder, damit sie nicht so Gurken werden, wie ich eine bin.

Als ich in dieser Woche, ohne dass ich danach gefragt hätte, eine Lohnerhöhung bekomme, bin ich irritiert. Gut, ich habe schon öfter gedacht, dass es nötig wäre, weil irgendwie alles teuer wird, gefragt hätte ich, aus oben erwähnten Gründen, allerdings vermutlich nie. Die Erhöhung gibt es für meine gute Arbeit und die Zuverlässigkeit, wie ich erfahre. Auch das predige ich gerne meinen Teilnehmern. Wenn einer Gutes tut und gute Arbeit leistet, dann wird er irgendwann auf irgendeine Weise dafür belohnt. Nur sehe ich das bei mir grundsätzlich anders. Ich bin eher ein Blender und täusche Leute und dann fallen sie irgendwann drauf rein und ich bekomme etwas, was mir nicht zusteht. So wie in diesem Fall. Sicherlich weiß ich, dass mein Denken da möglicherweise falsch ist, weil ich ja nur bekomme, was andere auch bekommen, aber ich bin halt so. Immerhin sage ich nicht, dass ich eigentlich nicht mehr Geld bekommen sollte, sondern teile mit, dass ich erfreut bin und die Frage, ob die Summe okay ist oder ich verhandeln will, verneine ich direkt. In meiner Vorstellung war die maximale Summe, die ich hätte bekommen können, etwas unter dem, was ich nun bekomme. Aber ich hätte auch nichts gesagt, wenn die Summe niedriger ausgefallen wäre. Ich hätte überhaupt nichts gesagt, denn ich konnte schon immer nichts verkaufen, was meiner Meinung nach nichts taugt. Ich kann aber, und das ist eine gute Eigenschaft, besser damit leben, wenn man mir freiwillig mehr zahlt als wenn ich mehr bekommen hätte, weil ich gefragt habe.

Für mich ist eine derartige Gehaltserhöhung absolut ein Grund, um vor Freude jemanden zum Essen einzuladen. In dieser neuen Welt ist das aber nicht vorgesehen, denn in dieser Welt hat es sich ein Virus bequem gemacht und alles irgendwie auf den Kopf gestellt. Diese neue Welt gefällt mir nicht.

3 Kommentare

  1. Schönes Thema. Gehalt – in Deutschland großes Tabuthema. Ich sag mal so: wer legt Gehälter fest ? In der Regel der Abteilungsleiter. Es gibt da idR Benchmarks, außer der Job ist so außergewöhnlich dass es keinen Vergleich mangels Häufigkeit gibt. Aber es gilt auch; wer sich billig verkauft um irgendwo reinzukommen braucht nicht zu hoffen dass Leistung irgendwann honoriert wird. Das Gehaltssystem in Deutschland ist so effektiv wie das indische Kastensystem. Wenn der Geschäftsführer keinen Bock hat mehr Geld auszugeben ( und das haben die eher nie ) dann gibts keine überproportionale Aufwertung. Will heißen: wenn du dich für 40k Euro im Jahr verkaufst und meinst, andere in dem Job bekommen mehr: du wirst innerhalb der Firma keine verbindlichen/ehrlichen Infos dazu bekommen ( außer du bist im Betriebsrat ). Sonst gilt: streng geheim. Also nach der Einstellung ist wie nach der Heirat – da kommt der Alltag und es muss IMMER gespart werden. Außer es handelt sich um Tarifjobs mit fester Bindung. Mal anders argumentiert: Manager mit hohen Gehältern fahren Geschäfte u Firmen vor die Wand und bekommen noch dicke Abfindungen. Haben die Gewissensbisse ? Im Gegenteil. Ist es gerecht, dass bei niedrigen Gehältern gespart wird und nach oben immer weniger akribisch nach nem Gegenwert gefragt wird ? Also wer sich bei der Einstellung zu billig verkauft ist selber schuld. Alle spielen immer das gleiche Spiel – es ist eben ein Spiel. Skrupel sind da zum Vorteil der anderen. Und der Wert der eigenen Arbeit ? Forget it! Der ist total subjektiv. Entweder einer Firma ist jemand 70k Euro wert oder nicht. Verhandeln heißt eben auch handeln und vortäuschen. Die Firma erzählt mir, sie wäre die beste/schönste/attraktivste. Warum soll ich denn dann klein beigeben ? Ich kann auch was, in das genau DA gebraucht wird weiß man erst nach der Probezeit.

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