Maßnahmegeschichten 20.23

Teilnehmerin 11, die vor ein paar Monaten schon einmal bei uns war und mit ihrer entzückenden Optik überzeugen konnte ist zurück und weil ich das letzte Mal ihr Coach war, ist Jörg nun an der Reihe, weil wir das so geregelt haben und Jörg sich schon lange darauf gefreut hat, dass er sie betreuen darf. Kaum ist sie da, fragt sie mich, warum er und nicht ich sie betreue. Ich erkläre ihr, dass der Platz bei Jörg frei war und er daher ihr Coach ist. Ihm sagt sie mehrfach, dass sie mich mehr mag und zu mir will. So bleibt ihm keine andere Wahl als zu sagen, dass sie zu mir gehen soll. Wenig später sitzt sie bei mir und fragt, ob sie bis zum Ende ihrer Teilnahme zu mir kommen darf. Wenn eine attraktive Frau, die auch noch gut riecht, zu mir will, kann ich leider nicht nein sagen. Also ändere ich einen ihrer Termine und teile Teilnehmer 2, der eigentlich ab morgen bei mir sein sollte, für Jörg ein. Ich glaube zwar, dass Teilnehmerin 11 bei Jörg in besseren Händen wäre, aber sie hat sich entschieden und muss nun die Konsequenzen tragen, während ich ihren Duft zu mir nehmen darf. Dabei wollte ich keine Frauen mehr betreuen. Irgendwie habe ich das nicht im Griff.

Später kommt Teilnehmer 9 mit einem Arbeitsvertrag von seinem spontanen Vorstellungsgespräch zurück. Allerdings will er, nachdem er sich zunächst über den Arbeitsvertrag gefreut hat, plötzlich doch nicht mehr, weil er es merkwürdig findet, wie schnell das alles ging und dass er morgen schon anfangen soll. Also erkläre ich ihm, warum die Dinge sind, wie sie sind und dass alles okay ist, so wie es ist. Er sagt, dass er mir vertraut und ist wenige Minuten später wieder glücklich, dass er endlich nichts mehr mit dem Jobcenter zu tun hat. Mir gefällt das und ich freue mich gleich doppelt, weil er einer meiner Teilnehmer war. Es ist gut für mein Selbstbewusstsein und meine natürliche Ausstrahlung, wenn ich jemandem zu einem Job verhelfen kann.

Am Mittwoch ist plötzlich und unerwartet viel zu tun, obwohl ich mich um niemanden kümmern muss. Verwaltungstechnische Veränderungen werden mir von der Chefin erklärt, dann muss ich alles Kirsten erklären, um der Chefin ein wenig Arbeit abzunehmen. Später ruft sogar noch Oma Sheriff an, weil sie nicht ganz verstanden hat, was ihr die Chefin alles erklärt hat. Es ist eine Premiere, dass Oma Sheriff mich anruft, um Berufliches zu fragen. Bei der Gelegenheit artet unser Gespräch in Albernheiten aus und wir amüsieren uns prächtig. Oma Sheriff rutscht kurz in Zweideutigkeiten ab, aber das passiert ihr fast immer. Bevor es zu schlüpfrig wird, reißen wir uns wie üblich zusammen, denn wir werden nicht für Schlüpfrigkeiten bezahlt. Ich schicke ihr noch Fotos einer neuen Kollektion von “Die moderne Hausfrau” und lade sie auf einen Beruhigungstee ein, wenn sie diese abscheulichen Sachen für mich trägt. Wie üblich verabschieden wir uns “Bis nachher”, was aber keine Bedeutung hat, weil dieses nachher irgendwann in der Zukunft liegt.

Örge kommt auch weiterhin fast jeden Tag ein paar Minuten zu spät ins Büro, loggt sich aber stets pünktlich aus. Wenn ich mal ein paar Minuten zu spät war, habe ich die Minuten am gleichen Tag länger gemacht, aber das kommt Örge gar nicht in den Sinn. Ich frage mich, wieso sie das machen kann, ohne dass es Konsequenzen hat. Es gibt Mitarbeiter, die kommen einmal zu spät und werden dann direkt zurechtgewiesen, dass sie dann eben eher aufstehen müssen. Deren Ansehen ist von da an erstmal gesunken und manche erholen sich nie davon. Für Örge gilt das irgendwie nicht. Sie bleibt allerdings meist in dem fünf Minuten Fenster. Wenn es mal noch später wird, loggt sie sich schon von unterwegs ein. Ich finde das alles sehr spannend und auch verstörend, sehe es aber entspannt, da es mich nicht betrifft und keinen Einfluss auf mein Leben hat.

Am letzten Tag der Arbeitswoche bekommt Teilnehmer 4 seine erste Abmahnung. Ich glaube nicht, dass er noch die Kurve kriegen wird. Hat er bei seiner ersten Teilnahme vor ein paar Jahren nämlich auch schon nicht. Teilnehmer 9, der Dienstag seinen Arbeitsvertrag unterschrieben hat und am Mittwoch zum ersten Mal arbeiten war, ist heute einfach nicht zur Arbeit gegangen, weil ihm die Arbeit nicht gefällt und er Rückenschmerzen hat. Diese gesundheitlichen Probleme hat er schon länger, mir aber nicht mitgeteilt. Der Arbeitgeber schlägt auf meinen Wunsch hin zwar einen anderen Arbeitsplatz vor, aber da bekommt der Mann nur 13€ pro Stunde und müsste weiter fahren, was er nicht machen wird, weshalb ich den Arbeitgeber bitte, den Teilnehmer zu kündigen. Alles andere wäre lächerlich und würde nur unnötig Zeit vergeuden. Ich melde dem Jobcenter, dass der Teilnehmer wieder Bürgergeld benötigt und werde ihn, wenn er wieder der Maßnahme zugewiesen wird, sicher nicht betreuen. Später erscheint der TN bei uns und ist froh, dass er die Kündigung bekommt. Alles andere hätte mich auch sehr gewundert.

Teilnehmer 5 lässt sich in dieser Woche ebenso wenig bei uns sehen wie Teilnehmerin 1, die auch telefonisch nicht erreichbar ist. Was genau ihr Problem ist, bleibt weiterhin unklar. Ob sie im September ihre Ausbildung beginnt, wissen wir übrigens auch nicht, weil sie nicht sehr kommunikativ ist. Menschen, ob groß, ob klein, ob alt, ob jung, ob mit oder ohne Frisur, ob arbeitslos oder nicht, haben irgendwie alle einen Knall. Mit dieser Erkenntnis, die nichts weiter als eine längst bekannte Tatsache ist, beenden wir diese Arbeitswoche.

Die Quote liegt am Ende der Woche bei starken 32,85% und es wurden 23 von 38 Terminen wahrgenommen.

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