Maßnahmegeschichten 42.23

Die letzte Woche dieser Maßnahme für mich, da ich nächste Woche einen Tag Urlaub habe und mich somit in dieser Woche von allen verabschieden kann, sofern sie denn auftauchen. Am Dienstagvormittag jedenfalls kommt niemand zu mir und so kann ich weiter darüber nachdenken, was beruflich aus mir werden soll. Da ich jemand bin, der fast immer einen Weg findet, ohne große Anstrengung und ohne Fachwissen durchs Leben zu kommen, muss es natürlich ein Job sein, bei dem Fachwissen und Kompetenz eine untergeordnete Rolle spielen. Besser als hier geht das vermutlich nur in der Politik, aber mit drei IHK-Abschlüssen bin ich da definitiv überqualifiziert, obwohl ich sicher bin, dass ich dort ganz wunderbar versagen könnte. Doch dazu ist es zu spät und der politische Versagernachwuchs steht schon längst in den Startlöchern. Ich sehe also weiterhin weder Potential noch Möglichkeiten für meine berufliche Zukunft, werde aber dennoch auch weiterhin regelmäßig darüber nachdenken, wo ich meine Unfähigkeiten in Zukunft gegen Geld anbieten kann.

Eine neue Maßnahme für den Ort ist tatsächlich ausgeschrieben worden. Für sechs Monate. Auch in der Maßnahme gehört es dazu, dass man die Leute zu Hause aufsucht, wenn sie Hilfe benötigen oder einfach nicht zu uns kommen (wollen). Das ist wohl der neue Standard. Meist läuft es so ab, dass die Leute nicht erscheinen, man muss sie besuchen, sie machen nicht auf und zum Beweis, dass man dort war, muss man ein Foto machen, wie man vor der Wohnungs- oder Haustür steht. Vielleicht reicht es auch, die Tür zu fotografieren, ich kenne mich da nicht aus. Man fährt natürlich mit seinem eigenen Fahrzeug hin und soweit ich weiß sollte ein Sozialcoach die Aufgabe übernehmen, aber wir haben hier kaum noch welche und die meisten haben komplett einen an der Waffel. Wenn die Praxis ähnlich unprickelnd wird, wie die Theorie klingt, dann wird mir der Job langsam lästig. Ich habe dabei nicht einmal ein Problem damit, dass man die Leute zu Hause aufsuchen muss, aber das würde in meinen Augen nur Sinn machen, wenn die Leute das auch wollen. Leute aufzusuchen, die nicht belästigt werden wollen, halte ich für kompletten Schwachsinn. Ich würde, wenn ich arbeitslos wäre, ganz sicher keinem dahergelaufenen Coach die Tür öffnen. Da ich den Lauf der Dinge aber nicht aufhalten kann und es kommt, wie es eben kommt, lese ich zunächst etwas über das neue Förderinstrument der ganzheitlichen Betreuung (§ 16k SGB II). Ich weiß zwar nicht, ob das relevant ist, aber informieren kann man sich ja und ich habe in den letzten Jahren wirklich nachgelassen, Neues zu lernen oder mich mit Dingen, die ich vielleicht besser wissen sollte, auseinanderzusetzen. Nun weiß ich immerhin, dass es nicht unbedingt nötig ist, dass ein Sozialcoach eingesetzt wird, ein guter Coach mit gewissen Erfahrungen tut es auch. Allerdings, und das ist mein Problem, bin ich ein solcher Coach nicht. Mir fehlen da einige Grundlagen und Erfahrungen, aber das kann man möglicherweise anders verkaufen, oder es fragt gar niemand danach. Vielleicht ist das ja auch eine Chance, dass ich nicht noch weiter abstumpfe und verblöde, wenn ich mich an neue Umstände gewöhnen muss. Es kann auch sein, dass die Maßnahme an ein anderes Unternehmen vergeben wird, dann muss ich mir keine weiteren Gedanken machen. Sollte ich doch zu der Maßnahme gehören, werde ich vermutlich einen Weg finden, mich durchzumogeln, ohne jegliches Fachwissen und mit zweifelhafter Kompetenz. Nächstes Jahr weiß ich mehr, bis dahin schleppe ich mich einfach weiter durch.

Die frühere Teilnehmerin 150 kommt vorbei, um zu schauen, wie es hier ist. Das macht sie in unregelmäßigen Abständen. Am Ende des Gesprächs fragt sie nach meiner Telefonnummer, weil sie dann ab und zu mal nachfragen kann, wie es mir geht. Da man berufliches und privates trennen muss, kann ich ihr die Telefonnummer nicht geben, gebe sie aber dennoch, weil sie zu attraktiv ist und ich bei attraktiven Frauen nur schlecht nein sagen kann. Sie will mich demnächst mal auf einen Kaffee einladen, was grundsätzlich nicht geht, weil ich mich nicht einfach mit ehemaligen Teilnehmerinnen treffen kann und auch gar keinen Kaffee mag. Andererseits ist es sicher gut für mein Ego, wenn ich mit einer Frau, die 16 Jahre jünger ist, Zeit verbringe.

Am Donnerstag fällt der rechte Scheibenwischer vom Coupé auf dem Weg zur Arbeit aus. Ich finde das irgendwie spannend und surreal, weiß aber nicht warum.

Am Ende der Woche liegt Quote liegt bei knapp über 38%, weil spontan und unerwartet Teilnehmer 198 einen Arbeitsvertrag bekommen hat. Nie waren unsere Arbeitslosen besser und erfolgreicher, doch jetzt ist es vorbei und alles wird anders. Oder auch nicht.

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