Damals 2014 – Olga und Wolga

Seit 2011, also bereits seit drei Jahren, kommen Olga und Wolga regelmäßig vorbei, um sich Bewerbungen schreiben zu lassen. Manchmal kommen sie alleine, meistens jedoch zusammen. Die beiden sind sehr trantütig und riechen oft sehr unangenehm. Heute ist Olga, die sich noch immer keine neuen Zähne besorgt hat, alleine da, weil Wolga vermutlich den Termin vergessen hat. Olga kommt herein, setzt sich zur Bürgerarbeiterin und stellt sich, wie es Tradition ist vor. „Hallo. Mein Name Kramer, Olga. Ich möchte mich bewerben als Briefträgerin.“ Natürlich wird sie, nicht nur wegen fehlender Zähne, sondern auch wegen nicht vorhandener Qualifikation, niemals Briefträgerin, doch Olga ist zuversichtlich und zieht das durch. Andere Jobs interessieren sie nicht, sie möchte Briefe mit dem Fahrrad zustellen. Olga lässt sich ihren Traum auch nicht ausreden. Und so bekommt sie immer eine bis drei Bewerbungen auf Jobangebote, die es gar nicht gibt. Wichtig ist, ihr nicht die Illusion zu rauben. Während die Bürgerarbeiterin die Bewerbung schreibt, zieht ein übler Geruch zu mir herüber, vernebelt den ganzen Raum und macht das atmen schwer. Olga ist alles andere als Geruchsneutral. Und sie riecht nicht nur übel, sie hat auch immer ganz fettige Finger, mit denen sie bei jedem Besuch den Tisch, an dem sie sitzt, total versaut. Das sieht nicht nur ekelig aus, das ist es auch. Den einzigen Pluspunkt, den Olga sammelt ist der, dass sie einem nie die Hand geben will. Nachdem sie ihre Bewerbungen bekommen hat, lässt sie sich einen neuen Termin geben und verschwindet. Kaum eine Minute später geht die Tür auf und Wolga kommt herein, entschuldigt sich für die Verspätung und hat Olga im Schlepptau. Die beiden sind so skurril, dass man durchaus darüber nachdenken kann, ihre seltsamen Auftritte hier im Büro zu verfilmen oder direkt aufnehmen. Nun sitzen Olga und Wolga zusammen bei der Bürgerarbeiterin und Wolga möchte sich, wie es bei ihr Tradition ist, als Pflegehelferin bewerben. Der Geruch, den die beiden nun gemeinsam verströmen, grenzt an Körperverletzung. Die beiden sollten unbedingt in ihren Sachen duschen, damit das aufhört. Oder gemeinsam ein Bad nehmen. Alternativ könnte ich die beiden auch mit Textilerfrischer einsprühen. Früher stand Wolga gerne vor unserer Deutschlandkarte, hat sich Orte ausgesucht, die ihrer Meinung nach nicht weit weg von Lünen sind, z.B. Kassel, Düsseldorf, Bielefeld, und gesagt, dass sie sich auch dort bewerben kann, weil man da ja schnell hinkommt. Wir haben dann versucht, ihr zu erklären, dass die Orte sehr wohl weit weg sind, die Karte aber stark verkleinert ist und es deshalb aussieht, als wären die Orte ganz in der Nähe. Da wir unsere Zweifel hatten, dass sie das versteht, haben wir die Karte zwischenzeitlich abgenommen, weil es schrecklich war, sie jedes Mal hilflos und doch voller Zuversicht vor der Karte stehen zu sehen. Heute riechen die beiden Damen nicht nur schlecht, ihre Kleidung ist auch irgendwie verschmiert. Vielleicht sollten wir die beiden in eine Waschmaschine stecken. Oder wenigstens deren Kleidung. Was ist nur los mit den beiden und wo soll das alles enden?
Nachdem die beiden Transusen gegangen sind, öffnen wir die Fenster, um zu lüften. Die beiden Damen besuchen, so wie es ebenfalls Tradition ist, die Toilette im Keller des Gebäudes. Eine gemeinsame Sitzung ist mittlerweile Pflicht und die beiden verzichten nur ganz selten auf dieses verbindende Ritual. Zusammen aufs Töpfchen zu gehen, vertieft Freundschaften sicher sehr. Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten gemeinsamen Auftritt von Olga und Wolga.

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