Mein Weg zur Ausbilderprüfung 6

Mit jedem weiteren Unterrichtstag erscheint es mir unwahrscheinlicher, dass ich in der praktischen Prüfung auch nur den Hauch einer Chance habe und ich habe nicht das Gefühl, dass ich noch einen Weg aus meinem Dilemma finde. Ich sehe mich um und stelle fest, dass es hier gar keine Ausschussware gibt. Normalerweise nehme ich an Kursen, Weiterbildungen oder ähnlichem teil, bei denen ziemliche Vollpfosten rumsitzen. Hier scheint es nicht einen zu geben. Also keinen außer mir. Da habe ich Dauerarbeitsloser mich unter das normale Volk gemischt und bin scheinbar noch nicht entlarvt wurden. Hier sehe ich nun deutlich auf was für einem Niveau ich mich sonst bewege. Als hätte ich eine neue Welt betreten. Und in dieser Welt steht mal wieder Gruppenarbeit auf dem Plan. Zugelost bekomme ich den Mann aus den 60er Jahren, den Hilfreichen und den zweiten Koch. Sofort ist mir klar, dass ich erneut weder schreiben noch etwas vortragen muss. Das schreiben übernimmt der Mann aus der 60er Jahren. Der zweite Koch schweigt die meiste Zeit und  konsequenterweise übernimmt der Hilfreiche den Vortrag. So könnte ich bis an mein Lebensende weitermachen. Während der anschließenden kurzen Pause stelle ich fest, dass einige Teilnehmer sich mit ihren Vornamen ansprechen und eine Whatsapp Gruppe gegründet haben. Ich kenne so gut wie keinen Vornamen, nicht einmal den von meinem Sitznachbarn, und gehöre auch zu keiner Gruppe. Ich weiß zwar mittlerweile, wie Stiffler wirklich heißt, aber das ist mir egal. Für mich bleibt er Stiffler. Und kaum beginnt der Unterricht wieder, macht Stiffler  seinem Namen alle Ehre und fragt auf seine unkonventionelle Art die Dozentin nach ihrem Alter. Einfach so. Aus einer Laune heraus. Er ist sehr unterhaltsam und die Dozentin 48.

Mit der Eifrigen, besser gesagt neben ihr, verbringe ich die letzte Pause. Manchmal kommunizieren wir zusammen, manchmal kommuniziert sie mit anderen und ich stehe einfach nur da und überlege, was für ein Parfum sie wohl benutzt. Weil ich keine Ahnung von Parfum habe, komme ich nicht drauf. Irgendwann dreht sie sich in die Sonne, schließt die Augen und grinst zufrieden. Sie scheint sehr entspannt zu sein. Unglaublich. Während ich sie dabei beobachte, bin ich sicher, dass sie mich an irgendwen erinnert. Oder erinnert mich diese Situation an irgendwas? Ich weiß es nicht. Vielleicht ein Déjà-vu. Nachdem sie ihre Augen wieder geöffnet und ihre zweite Zigarette aufgeraucht hat, deutet sie an, dass wir nun zurück gehen können. Das finde ich irgendwie sympathisch. Alle anderen gehen, wenn sie die Pause beenden und lassen mich einfach stehen. Vielleicht findet sie mich ja irgendwie nett. Das würde mir gefallen. Ich habe schon lange keine interessante Frau mehr kennengelernt. Ich bin echt ein komischer Kauz.

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